Meine Appenzeller Bachtage vom17.-21.8.22 in der Schweiz

Meine Appenzeller Bachtage (17.-21.8.22)

Im Mittelpunkt dieser, hoch über dem Bodensee angesiedeltem Bach-Tage, stand die außerordentliche Kantate BWV 19 ‘Es erhubˋ sich ein Streit.‘

I. Daß dieses ‘himmlische Streiten’ zwischen dem Erzengel Michael und dem ‘wütenden Drachen’ (1) dann doch zugunsten des Menschen, der doch nur „ein Wurm und ein armer Sünder ist“ (4), gut ausgeht, wird in einem großartigem musikalischen Gemälde kundgetan.  Das letzte Buch der Bibel (Offenbarung des Johannes Kap 12, 7-12), siedelt dieses Streiten weit weg von uns an-, im Himmel. „Die rasende Schlange, der höllische Drache, stürmt wider den Himmel mit wütender Rache “. 

Mit diesem Streit hatte sich Bach‘s Textdichter Picander ganz schön martialisch ins Zeug gelegt! Doch als dann mit dem Bass-Rezitativ (2) „Gottlob! Der Drache liegt (…) in der Finsternis, mit Ketten angebunden“ der Ausgang des Streitens verkündet wird, klärt sich der Sinn des Ganzen.
 Bach hält sich nämlich nicht lange mit himmlischen Streiten zwischen Gut und Böse auf. Der Sieg des Guten kommt letztlich uns, dem Menschen auf der Erde,  zugute.

II. Was ist das für ein Mensch? Dreh-und Angelpunkt der Kantate war für mich  schon immer das Rezitativ des Tenors (4). ‚Mensch, Du Wurm und armer Sünder. So lieb wirst Du von Gott gewonnen und hoch gesetzt‘. Daher stellt Gott für Dich eine Schutzmacht auf: ‚der Seraphinen Heer‘. Ein hohes a auf ‚Seraphinen’ belegt musikalisch diese entscheidende Weichenstellung: vom Streit im Himmel zum Menschen, von Engeln behütet.

III. Und nun folgt die wunderbare Engelarie (5) vom ‚Dableiben der Engel‘. Engel führen den Menschen „auf beiden Seiten, daß sein Fuß nicht möge gleiten“.
Mir fällt dazu ein, dass in unseren vielen Esoterik-Geschäften ‚Engel-Kitsch‘ zuhauf teuer verkauft wird. Bach gibt uns im Zuhören die ‚Schutzmacht der Engel’ umsonst! Wie auch z.b. in der Kantate BWV 149 in der Arie des Sopran ‘Gottes Engel weichen nie.’ Kein Kitsch, was Echtes-, das  finden wir hier. Musikalisch entfaltet mit 3 Trompeten, Pauken, Oboen d’amore, Taille, Violinen, Viola, Continuo und jetzt in den Appenzeller Bachtagen mit den engagierten ChorsängerInnen und Solisten.
Es fehlen aber nicht die Anforderungen an uns, dem Gläubigen Menschen. Sicherheit gibt es nicht gratis! So mahnt im letzten Rezitativ der Sopran (6).“Lasst uns das Angesicht dieser frommen Engel lieben“!

IV. Dann der Schlusschor (7). “Lass Dein Engel mit mir fahren (…) und meine Seele wohl bewahren“. Der ‚cantus firmus‘ von der Solo-Trompete geblasen, erinnert uns an die Hoffnung der Auferstehung der gläubigen Seele durch die Kraft Gottes. Wie sagte einst einer, der diese Gottes-Kraft anzweifelte: ‚Nicht jeder glaubt an Gott, aber alle glauben an die Hilfe im Leben und Sterben von Bachs Musik.‘

V. Heute (21.8.22) am  Sonntagmorgen kommt nach grauen Regentagen endlich die Sonne über der Säntis-Gebirgskette heraus. Da proben sie früh schon wieder: diese wunderbare Schweizer Chorgemeinschaft, die heute mehrere Chorwerke aufführen. Sie handeln von diesem ‚Michaele Archangolo‘, dem Erzengel Michael. Da war zunächst der Italiener Costanzo Porta mit einem Introitus, der den besagten Archangolo besingt, dann Dietrich Buxtehude mit seinem Kleinen Concerto ‚Befiehl dem Engel, dass er komm‘. Darauf vom Onkel Johann Christoph Bach aus Eisenach das geistliche Konzert für 10 Stimmen ‚Es erhub sich ein Streit im Himmel‘. Bestimmt hörte das einst der junge Sebastian. Später als Thomas-Kantor führte Sebastian dieses 10 stimmige Konzert, das aus dem Fundus der Familie stammt,  als ‚beachtliche Vorlage‘ selbst auf.

VI. Liturgie und Predigt folgten dem Michaels-Thema und betonten, dass Gutes und Böses nicht unter Menschen auszurotten ist. Da bleiben wir wachsam! Wie der Solo-Bassist betont: „ Der Drache des Bösen liegt zwar in unserer inneren Finsternis bei jedem in Ketten angebunden, sein  Brüllen schrecket“ zuweielen(2). Darum: „Lasst uns (…) Engel lieben, sie mit unseren Sünden nicht vertreiben oder auch betrüben (6).

VII. Mit diesen Klängen, einem gutem Weißburgunder, für mich auch mit  bekömmlichem Appenzeller Käse, mit der Aufgeschlossenheit der Gastgeber und mit der Dankbarkeit der Gäste, wurden diese Appenzeller Bachtage beendet. DANKE

Zusatz-Information der J.S. Bach-Stiftung

J. S. Bach-Stiftung

22. August um 10:34 ·

Die Appenzeller Bachtage 2022 haben gestern ein Ende gefunden. Vielen Dank für die zahlreichen BesucherInnen, aber auch für die vielen Nachrichten und Likes auf Social Media. Es war uns eine Freude!

www.bachtage.ch

3 Gedanken zu „Meine Appenzeller Bachtage vom17.-21.8.22 in der Schweiz

  1. Karin Sommer

    Lieber Wolfgang,

    Ein toller Bericht von Dir zu den Appenzeller Bachtagen 2022. Das muss ein wunderbares Ereignis sein, persönlich in der Schweiz so ein Bachfest miterleben zu können.
    Danke, durch deinen Bericht haben wir einen Einblick zum Bachfest bekommen können.

    Herzlichen Gruß an alle
    Karin

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  2. wschuen

    Lieber Herr Adam !

    Ich schließe mich dem Beitrag von Karin Sommer an und möchte ebenfalls meinen Dank für diesen schönen Beitrag vom Appenzeller Bachfest 2022 ausdrücken.

    Wunderbar, einmal einen Bericht aus dem Ausland über ein Bachfest wieder lesen zu können, der so anschaulich beweist, dass J.S. Bach lebt und international seine Anerkennung und Begeisterung besitzt.

    Herzliche Grüße, z. Zt in Hamburg im Urlaub,

    wschuen

    Gefällt 2 Personen

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  3. Volker

    Liebe Karin, lieber wschuen,

    ich Danke euch für die abgegebenen Kommentare, die sicherlich Herrn Adam gefallen werden. Noch einmal meinen Dank an Wolfgang Adam, der diesen Beitrag verfasst hat.

    Ich war Zeuge von diesem fantastischen Bachfest und habe die Tage in vollen Zügen genießen können. Alles war so familiär und liebevoll mit heimatlicher Musik ausgerichtet worden und wurden von den zahlreichen Besuchern dankend angenommen.

    Als ein besonderer Höhepunkt ist das dreimalige anhören der Michaelis-Kantate, BWV 19 „Es erhub sich ein Streit“ zu benennen. Das jedesmal in seiner Aufführungsform die Besucher begeisterte und mit einem riesigem Applaus bedacht wurde.

    Der Tenor hat den 5. Satz aus der Kantate „Bleibt ihr Engel, bleibt bei mir !“ so innerlich überzeugend gesungen, dass mir ein Schauer über den Rücken gelaufen ist und es der absolute Höhepunkt in der Kantate gewesen ist.

    Nach drei Tagen Bachfest und zwei weiteren Tagen mit einem Aufenthalt in der lieblichen Schweiz, konnte ich beglückt wieder die Rückreise nach Deutschland antreten.

    Herzliche Grüße aus OWL an alle, von

    Volker

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