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Besuch bei Herrn Bach 11.-14.06.09


Claudia sagt:

Kleines Bachfest-Tagebuch (Leider gibts keine Fotos dazu, weil ich den Apparat vergessen habe)

Die Initialzündung zu diesem Besuch hatte mein Mann gegeben, der sich entschloss mit 3 Klempner-Kumpels an diesem Wochenende zum 24h Rennen nach Le Mans zu fahren. Das Hirn und jegliche Attribute der Zivilisation sollten also zuhause bleiben. Inshallah.

Volker-sei-Dank bin ich beim Surfen auf den Bachfesttermin gestoßen, da dachte ich, das wäre doch zum Zuhause-Rumsitzen eine echte Alternative. Nach dem Studium des Programms habe ich mich dann für 2 Konzerte entschieden, die ich auf jeden Fall im Vorfeld buchen wollte, den Rest würde ich vor Ort entscheiden. Noch schnell eine akzeptable Absteige gebucht (die erlebe ich sowieso nur in geistiger Abwesenheit…) – und vorgefreut!

Der ICE ist pünktlich und bringt mich fix nach L.E.. Im Zug gibt es auf Kanal 1 Haydns Schöpfung und Händels Alcina sowie eine Jazzplatte. Es läuft natürlich die Jazzplatte, ich hätte jetzt doch mehr Lust auf Händel. Ich setze die Kopfhörer wieder ab und schmökere in meinem Leipzig-Führer. Wehmütig denke ich an meine Konzerte in Leipzig und Umgebung mit unserem Vokalensemble in den 90er Jahren zurück. Mein Chorleiter selbst war noch in den letzten Atemzügen der alten DDR während einer Konzertreise  in den Westen geflohen und wir durften dann mit ihm nach der Wende des öfteren Leipzig in musikalischer Angelegenheit besuchen. Damals war es jedoch noch nicht so wirklich schön, das war mir aber auch egal. Ich wollte zumindest Herrn Bach besuchen. So wie jetzt.

Der renovierte Hauptbahnhof empfängt mich mit einem hellen, modernen Flair, wobei es ein bisschen provinzieller zugeht und nicht so hektisch wie in Berlin. Eine grandiose Synthese aus Moderne und Eklektizismus. Das ist schon was anderes als Wuppertal (das ist übrigens der Bahnhof, den ich mit Abstand als den Häßlichsten in ganz Deutschland küre) oder Essen! Das Bachfest ist mit Plakaten auch hier schon allgegenwärtig. Dekadenterweise lasse ich mich mit einem Taxi ins Hotel bringen. Es empfängt mich ein sozialistisches Rudiment mit Segelohren und Ganzkörperbrille. Schnell eingecheckt, die Klamotten abgeladen und ab in die Straßenbahn wieder in die City zurück, schliesslich ist es schon 17.00 Uhr, in einer Stunde beginnt der „Elias“! Als ich an der Haltestelle „Thomaskirche“ aussteige, packt mich schon leichtes Gänsehautfeeling, schliesslich stehe ich auf dem Arbeitsplatz des Meisters! Ich lasse mich auf das Vabanque-Spielchen mit Restkarten für einen Zehner ein und tröste mich damit, an dem Wandelkonzert in diversen Einkaufszentren teilzunehmen,-wenn es nicht klappt. Aber es klappt. Der Platz ist sogar gar nicht so schlecht. Meine Nachbarn haben 57,-Euro gezahlt.

11.06.09 / 18.00 Uhr ELIAS Thomaskirche+Wandelkonzert

Nach ein paar Reden und der Bekanntmachung wieviel Prominenz zugegen ist, gehts dann endlich los. Elias von Hanns Müller-Brachmann gesungen, hat eine kräftige, voluminöse Stimme wie es sich für den Propheten geziemt. Diese merkwürdige Akustik der Thomaskirche ist für jeden Sänger eine absolute Herausforderung. Zwar läßt der Hall bei vollbesetztem Haus nach, dafür ergibt sich ein anderes Problem, es wird total trocken und man muss die Töne in den Raum „hineinspucken“. Einige Tempi sind sehr flott, sind aber im Gesamteindruck durchaus stimmig. Bei Mendelssohn ist halt auch vieles unmissverständlich auskomponiert, so dass grobe Interpretationsabgründe fast ausgeschlossen sind. Die Frauen IngerDam Jenser und Anna Grevelius singen makellos, sind aber nicht so charismatisch, dass sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der TenorJames Taylor ist weltklasse, die widrigen Umstände mit dem schwierigen Raum merkt man ihm nicht an. Immer wieder herrlich ist diese ironische Art von Mendelssohn, wie er sich über die Baal-Propheten lustig macht (hinkt um den Altar, den ihr gemacht), wie man allerdings die Feinde „mit dem Schwert erwürgt“ , hat sich mir noch nicht ganz erschlossen. Ich tauche völlig in die Musik ab und lasse mich mitnehmen, alles scheint vergessen, sogar mein Hintern, der auf diesen folterähnlichen Sitzen eingeschlafen ist. Nach ergiebigem, verdienten Applaus verlasse ich das Heiligtum und schwebe -nun 10cm-vom Boden- desorientiert in die Stadt. Der Strom trägt mich in den letzten Rest des Wandelkonzertes in „Specks Hof“. Leider höre ich nur noch von Händel „Meine Seele hört im Sehen“, gesungen von der zierlichen Christine Mothes mit dem Ensemble Litencia.  Die Stimme ist dicht und warm und man nimmt ihr den pantheistischen Geist dieses Stückes 100% ig ab. Diese Einkaufspassage ist schon ein recht interessanter Ort für eine solche Aufführung, leider sind die anderen Stationen des Wandelkonzertes bereits verwaist, so dass ich mich auf den Weg zu einer gastronomischen Lokalität aufmache. Das hatte ich über die Musik völlig vergessen.

12.06.09 / 9.30 Uhr METTE Ev. reformierte Kirche

Als allererstes leihe ich mir ein Fahrrad am Bahnhof, damit ich noch effizienter alle Konzertstationen abfahren kann und nebenbei vielleicht mir einige perfekt restaurierte Bürgerhäuser ansehen kann. Petrus ist heute eher auf Seite der Natur als auf der, der Bachfestbesucher und es schüttet phasenweise. Vor der Kirche treffe ich ein holländisches Ehepaar, die auch nach Bach-Fans aussehen. Ich quatsche sie spontan an. Die Glücklichen verbringen allerdings das ganze Bachfest in Leipzig.

Zu Gehör kommen geistliche a-cappella-Gesänge von ebenfalls mit Leipzig dicht verbundenen Komponisten, Felix Mendelssohn, Max Reger und H. Schütz. Das Ensemble Vocalphonie besteht aus 6  jungen Leuten, die mit großer Leichtigkeit und ohne viel Pathos die Meilensteine des Chorgesangs interpretieren. Ich nenne hier einfach mal die größten Knaller: Morgensang / Führe mich auf dem Pfad Deiner Gebote / Nachtlied -Reger, Herr, auf Dich traue ich / Die Himmel erzählen die Ehre Gottes – Schütz, Hebe Deine Augen auf -Mendelssohn. Das „Hebe Deine Augen auf“ hat mir noch viel besser gefallen als gestern, wobei der Rahmen hier natürlich auch viel intimer ist mit nur 2 m Abstand zu den Künstlern. Der glockenreine, unaufdringliche Sopran von Franziska Misch schwebt stets engelgleich über dem Klanggepflecht.

Der dicke Leipzigführer, den ich immer in die Seitentasche der Jeansjacke stopfen muss, nervt mich. Ich fahre zum Thomasshop und erstehe eine Umhängetasche mit dem Bach-Aufdruck und noch einen Kugelschreiber. Wenn ich schon etwas kaufen muss, möchte ich schliesslich die richtigen Stellen damit unterstützen. Ausserdem schreibt es sich mit einem Bach-Kuli eindeutig besser.

11.30 Uhr Ausgezeichnet! J.S.Bach-Preisträgerin 2008 Marie Friederike Schöder – Sopran

Das ist für mich ein absoluter Höhepunkt bei diesem Bachfest, schon der Aufführungsort, die alte Handelsbörse, ist ein der Kunst würdiger Ort. Ich pflanze mich in Reihe 3 und sitze neben Ehepaar Hering aus Kassel, mit denen ich ein nettes Gespräch führe. Also Kontaktprobleme hat man hier wirklich nicht.

Als erstes hören wir vom Leipziger Barockorchester ein Telemann Concerto D-Dur, dann kommen aus Händels „9 deutschen Arien“ 4 Stücke (meine Seele hört im Sehen, Die ihr aus dunklen Grüften, Süße Stille-sanfte Quelle, Singe Seele Gott zum Preise), die schon äußerst virtuos und im Ausdruck sehr vielschichtig sind. Der Oberknaller ist allerdings BWV 51 Jauchzet Gott in allen Landen, die von allen Ausführenden gleichermaßen hohe Kunstfertigkeit verlangt. Aber Frau Schöder ist Profi und es klingt einfach nur super, mühelos meistert ihre Stimme die Höhe, und auch im Tempo wirkt sie nie gehetzt oder überfordert. Auch Ute Hartwich als Trompeterin steht ihr in nichts nach und rundet den Gesamteindruck positiv ab.

Es ist 13.00 Uhr und es ist tatsächlich erst mal bis 17.00 Uhr Pause. Ich esse einen schlechten, aber preiswerten Salat bei einer Fastfoodkette und fahre ein wenig durch die Innenstadt. Helmut Kohl mit seinem Zitat, dass im Osten „blühende Landschaften entstehen werden“ kommt mir in den Sinn. Selbst der fiese Unibau der früheren Karl-Marx-Uni weicht einem nagelneuen Gebäude. Der „steile Zahn“ heisst jetzt Cityhochhaus (wie langweilig) und beheimatet den MDR. Es zieht mich allerdings immer wieder in den Thomaskirchhof. Ich fühle mich trotz der -zig Besucher dort wie in einem Refugium über das Bach selbst schützend seine Hände ausbreitet.

17.00 Uhr Thomaskirche Motette-Das Bach Revival von Mendelssohn.

Langsam füllt sich der Vorplatz aber keiner weiss so recht, ob das Konzert jetzt hier draußen startet. Christoph, ein Kantor aus dem Hessischen spricht mich an. Ob ich wisse, ob man hier anstehen müsse. Nee… Offensichtlich werden die Besucher in die Kirche gebeten. Da es unten schon ziemlich voll ist, nehmen wir den Klo-Durchgang durch die Katakomben zur Empore. Das ist mal ein echter Geheimweg. Wir setzen uns direkt vor den Chor auf der gegenüberliegenden Empore.

Man hat das Repertoire dieses Best-Of-Konzertes nach bestem Wissen wieder rekonstruiert, Felix hat ein buntes Pottpourrie aus echten Bach´schen Zutaten gemixt. Nach 2 Chorälen (Ein feste Burg ist unser Gott / Nun lob mein Seel den Herren) singen die Thomaner die Motette „Singet dem Herrn“Ebenso sind „Ich will bei meinem Jesu wachen“ aus der Matthäus Passion und auch das „Sanctus“ aus der H-Moll Messe vertreten. Was mir besonders gut gefällt, ist die Motette „Ich lasse Dich nicht BWV Anh. III 159“ die in ihrer schlichten Anmut von dem Super-Chor von Gotthold Schwarz etwas archaisches hat und mich ein wenig an BWV 4 erinnert. Kannte ich vorher nicht. Ein ungewöhnliches Abenteuer sind auch die Orchesterstücke wo in romantischer Manier ein frisch restaurierter Wieck-Flügel erklingt. Das sieht in einer Kirche auf der Empore etwas gewöhnungsbedürftig aus, aber genau den gleichen Eindruck hat vielleicht Mendelssohns schwärmerische Musikauswahl hinterlassen, die bearbeitet und gekürzt auf ein verständliches und zumutbares Maß von romantischem Barockverständnis einem breiten Publikum zugeführt werden sollte. Um mit den Worten von Georg Christoph Biller zu sprechen, „es ist wichtig, dass auch wir wie Mendelssohn sind, wir müssen für unsere Musik brennen“. Die Rede hat mich sehr bewegt.

20.00 Uhr Nicolaikirche-Kantatenkonzert

Das Konzert beginnt gleich mit einem Hammer, die Kantate „Ich habe genug (oder genung)“. Matthias Görnes voluminöser Bass lässt keine Wünsche offen, auch wenn die Raumakustik hier wieder ihren Tribut fordert. Aber das tut der glanzvollen Aufführung und diesem wunderschönen Stück keinen Abbruch. Er ringt seinem Zwerchfell die Töne mit Hilfe tänzerischer Hilfsbewegungen ab,  die -wie ich finde- Rückschlüsse auf seine sexuelle Gesinnung zulassen, ebenso die Theatralik mit der er sich in den Gesangspausen die Augenbrauen zusammenschiebt („Griff ans Diadem“). Er ist schon von sich sehr überzeugt, Christoph tituliert das hinterher etwas abfällig mit „Lackaffigkeit“. Das ist nicht unzutreffend! Nicht zu vergessen sei an dieser Stelle sei Susanne Wettemanns Oboenspiel, das in ständiger Zwiesprache mit dem Bass steht. Bei der abschliessenden Arie „Ich freue mich auf meinen Tod“ schmelze ich total dahin. So ein geiler Groove und so ein Tempo. Mein Mann und ich sind selbständig und manchmal leide ich unter dem existenziellen Druck, dass ich mir in ganz dunklen Momenten wünsche, dass alles vorbei ist, es ist einfach genug. Und mit der Gewißheit, dass es aber irgendwie weitergeht und man aufgehoben ist, kann man sich auch auf den „Tod“, egal welcher Art, freuen. Die Ouvertüre in H-Moll, die danach kommt, habe ich schon ewig nicht mehr gehört, sie war so etwas wie eine „Einstiegsdroge“, ich bin wieder aufs neue beeindruckt, auch von dem rasanten Tempo Cornelia Grohmanns Flöte. Leider reisst dem Konzertmeister Albrecht Winter dann die E-Seite seiner Geige, aber fast unmerklich tauscht er mit der 2. Geige das Instrument, das nenne ich Profis.

Nach „Der Friede sei mit Euch“ und der „Kreuzstabkantate“ endet das Konzert mit dem düsteren Choral „Komm o Tod, Du Schlafes Bruder“, wobei ich mich frage, was der Interpretationsansatz für diese von Fermaten zuschnittene eher abgehackte Darbietung sein soll? Das ist eines meiner klassischen Gänsehaut-Stücke, ich spüre jedesmal durch die Musik wie die Hand des Todes nach einem zu greifen scheint, schade, dass der Zusammenhang der Worte so jäh auseinander gerissen wurde. Ansonsten war es einfach nur geil und hätte stundenlang so weitergehen können (die nächsten Stunden hätte ich dann aber nur mit einem Sitzkissen überstehen können, liebe Merchandising-Experten, wie wäre es mit einem handlichen Bach-Sitzkissen, das in jeden Stoffbeutel passt?)Langanhaltender Applaus belohnt die Ausführenden. Mein Banknachbar hat eine totale Fahne (Herrscher des Himmels erhöre das Lallen…), wir geben Standing Ovations und er raunt mir etwas von sauberer Intonation ins Ohr. Jawohl, da stimme ich ihm nüchtern zu!
Nachdem ich mit Christoph noch einen Absacker getrunken habe und wir unseren vernachlässigten Magen noch zu später Stunde bedient haben, mache ich mich mit meiner Fietze auf ins Hotel. Ganz schön schattig in Leipzig.
13.06.09 / 9.30 Nicolaikirche Mette
Leider habe ich das Programm irgendwo vergessen, dass ich die Eindrücke irgendwie aus dem Gedächtnis rekonstruiren muss. Die Stücke versetzen mich in die Anfänge meines aktiven Chorgesangs, Mendelssohns geistliche Gesänge für Alt/Sopran + Chor (Herr wir trauen auf Deine Güte, Hör mein Bitten), die ich mir damals schon fast leidgesungen hatte. Bei „Deines Kinds Gebet erhöre“ fängt hinter mir eine Frau hemmungslos zu weinen an. Was sie wohl gerade erlebt hat? Ja, es gibt in dieser manchmal kalten Welt ein Bedürfnis nach tiefer Sinnlichkeit, aber man muss es auch geschehen lassen, dass das Gefühl über einen hereinbricht.
„Singet dem Herrn“, Bachs Motette wird vom Altar vorgetragen, witzig ist, die Reaktionen der Chorsänger nach den Läufen der „Kinder Zion“ oder „Lobet den Herrn“ zu beobachten… Da wird aufgeatmet, die Hände werden ausgeschüttelt, die Augen gerollt. Ja, ja, einfach kann halt jeder!
Bis zur Motette um 3 ist es noch ein bisschen hin, das Wetter ist super, aber zu einem Einkaufsbummel habe ich auch keine Lust, schliesslich muss man dann den ganzen Tag die ollen Taschen mit sich rumschleppen. Nahrungsaufnahme? Unnötig. Also frage ich im Foyer der alten Handelsbörse, ob es noch Karten für den Cello – J.S.Bach Preisträger 2008 gibt. Ich schwatze der Dame eine Rentnerkarte ab, obwohl diese Berechtigung für mich noch in 30 jähriger (oder längerer) Ferne liegt. Wenn ich mich nicht recht täusche sitze ich auf dem selben Platz wie gestern. Von Cello-Musik muss ich ja gestehen, habe ich wirklich keinen Durchblick. Es fällt mir lediglich die Doktorarbeit von unserer Freundin Sabrina ein, die sie über Berufskrankheiten von Musikern geschrieben hat. Die Berufskrankheit der Cellisten sei Impotenz. Ich überlege, dass Bach höchstwarscheinlich nur selten Cello gespielt hat.
Neben mir sitzt Werner aus Münster, ein netter End-Fuffziger, der wie ich in einem guten Chor gesungen hat, da stimmt die Wellenlänge. Da das Konzert beginnt, verabreden wir uns hinterher auf einen Kaffee.
13.06.09 / 11.30 Ausgezeichnet! Philip Higham / Cello
Das erste Stück ist von Bach die G-Moll Sonate, ein Stück in Form des 3-sätzigen ital. Concertos aufgebaut und verlangt vom Solisten schon einiges ab. Verzückt schliesst Higham an besonders genussvollen Stellen die Augen.
Das B. Britten Stück OP72 würde ich jetzt spontan nicht zu meinen Lieblingsstücken küren, zeigt es aber doch in recht virtuoser Weise, was auf dem Cello möglich ist. Es ist aus der Freundschaft Britten mit M. Rostropowitsch hervorgegangen, der hohe Schwierigkeitsgrad dieses Stückes wird gebührend beklatscht.
Weiterhin kommen 2 Mendelssöhne zu Gehör, Variations concertantes D-Dur und Sonate D-Dur, das liegt mir etwas näher. Komponiert in Berlin sowohl für seinen ambitionierten Bruder Paul, als auch für die geistige Elite, die sich im Salon seines Vaters Abrahams zu den sog. Sonntagsmusiken einfanden. Rasant, sanglich, virtuos präsentiert sich diese Musik. Also an die Cellomusik lohnt es sich garantiert heranzutasten.
Ohne die künstlerische Leistung zu schmälern,  lasse ich jetzt die Motette um 15.00 Uhr, das Orgelkonzert im Gewandhaus um 17.00 Uhr und das MDR Konzert 20.00 Uhr mit Liedern von Schumann und Wolf, sowie Haydn Quartetten unrezensiert, obwohl mir letzteres vom Aufführungsort im alten Rathaus, diesem intimen Rahmen, sehr gut gefallen hat. Hinterher habe ich mich mit Werner und seinem Ex-Sänger-Kollegen aus Münster, Roland, ein Wahl-Dresdner, auf dem Augustusplatz zu Nigel Kennedy getroffen. Der Augustusplatz ist brechend voll und ohne Handy hätte ich die beiden nie gefunden. Roland ist eine ziemliche Sahneschnitte, warscheinlich Anfang 40 (ich frage ja nicht nach dem Alter)und es ist ein wirklich netter Abend mit den beiden. Kennedy hat warscheinlich auch schon ein paar bekiffte Jahre hinter sich, die Musik ist aber sehr vielseitig, wobei manchmal das Genre schlecht rauszuhören ist. Manchmal ist es jazzig, dann mal wieder Klassik, oder auch Folk, als ich noch nicht da war, hätte er tatsächlich gesagt, alles wäre original Kennedy, no fucking Bach. Selbst wenn ich dieses Adjektiv unehrenhaft und überflüssig finde, ist es mir egal  für Bach bin ich ja nicht zu Mr. Kennedy gekommen.
Sonntag, 14.06.09 / 09.30 Gottesdienst Thomaskirche
Ich sitze mit Werner wieder auf der Empore, neben mir sitzt leibhaftig Rudi Carrell, erfahrener Bachfestbesucher mit eigenem Sitzkissen! Und auf los gehts los.
Im Zentrum des Gottesdienst zum 1. Sonntag nach Trinitatis (Lukasevangelium von Lazarus)steht Bachs grandiose Kantate „O Ewigkeit, du Donnerwort“ und eine tief berührende Predigt von Pfarrer Chr. Wolff.
Schroff und verwirrend wird von Bach die Ewigkeit, in der der einst Reiche Mann umherzuirren scheint, dargestellt. In diesem Stück gibt es keine Erlösung. Grandios das Leipziger Barockorchester unter Philipp Amelung und Susanne Krumbiegel als wirklich kräftiger und Thomaskirchentauglicher Alt (das ergreifendste Stück ist für mich „O Mensch errette Deine Seele“).
In der Predigt gelingt es Herrn Wolff einen sehr nahen Realitätsbezug zu Lazarus damals und heute herzustellen. Er verknüpft die Geschichte mit der aktuellen Wirtschaftskrise, den Bankenbossen und den Verlierern unserer Gesellschaft. Leider muss ich nach dem 2. Teil der Kantate fluchtartig die Kirche verlassen, da mein Zug warscheinlich nicht auf mich wartet.
Hinter mir liegt ein Wochenende, das mich hat den Alltag völlig vergessen lassen. Obwohl ich noch nie eine derartige Reise alleine angetreten habe, würde ich es immer wieder so machen. Man lernt spontan so viele Leute kennen, die man in anderen Konzerten oder in Leipzig immer wieder trifft. Vielleicht ist der Bericht zu lang geworden. Aber dieser Besuch hat mit seinen Menschen und seinen Erlebnissen eine derartige Dynamik angenommen, dass es sich nicht bloss auf die Musik reduzieren ließ.
Aufwiedersehen Leipzig, Sebastian, bis nächstes Jahr, à Dieu.

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