Kölner Philharmonie
Sir John Eliot Gardiner Dirigent
Domenico Scarlatti
Stabat mater
für gemischten Chor und Basso continuo
Johann Sebastian Bach
„Mein Herze schwimmt im Blut“ BWV 199 (1713)
Kantate für Sopran, Oboe, Streicher und Basso continuo zum 11. Sonntag nach Trinitatis. Text von Georg Christian Lehms
Georg Friedrich Händel
„Dixit Dominus Domino meo“ HWV 232 (1707)
für Soli, fünfstimmigen Chor und Orchester. Text nach Psalm 109
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Wir waren in der Philharmonie in Köln bei Gardiner. Ich habe mich riesig auf das Konzert gefreut, und vor allem auch auf den Sir, ich hatte ihn lange nicht mehr gehört auf der einen Seite war: es ein exzellenter Chor, die Baroque Soloist konnten einfach nicht besser sein.
Gardiner hat zu erst das „Stabat Mater“ von Scarlatti gebracht; in einer chorischen Besetzung hatte ich es noch nie gehört, war aber toll, Dann kam die wunderbare Bachkantate „Mein Herze schwimmt im Blute“ – vorgetragen von einer blutjungen Sängerin. (Esther Brazil) Ich hatte vorher die CD ein paar mal gehört, meist mit M. Koscena. Eine reife, voll einfühlsame Stimme, die den Zuhörer packen konnte. Ich erinnere an die Stelle: tief gebückt und voller Reue, lieg` ich liebster Gott vor dir. Eine großartige Bach-Kantate die einem immer wieder berührt.
Am Schluss gab es von Händel: „Dixit Dominus, Domino me.“ Meine Begleitung hat das Werk ebenfalls gefallen.
Grüße Iris
Hallo Iris, hallo zusammen,
Beginnend mit D. Scarlattis Stabat Mater zeigte der Chor aus meiner Sicht eine überragende Homogenität und eine Dynamik bei gleichzeitiger Ausdrucksstärke, die wohl nur diesem Chor unter dieser Leitung vorbehalten ist.
Als Esther Brazil ohne Noten auf die Bühne kam, dachte ich erst „meint sie das ernst?“. Ja, meinte sie. Sie sang die ganze knapp 30minütige Kantate auswendig (wie überhaupt alle Solisten an diesem Abend ihr Partien ohne Noten sangen) und bis auf einen zu vernachlässigenden Anflug von falschem Einsatz sang sie das Werk mit unheimlich viel Souveränität und Ausdruck, nicht nur stimmlich. Auf der Aufnahme, die zwei Tage zuvor in London entstanden ist und die bei monteverdi.co.uk zum Download bereit steht, ist das auch fast genau so wie in Köln zu hören. Ich denke, dass die schlichte Art und Weise, wie Magdalena Kozena die Kantate gesungen hat, auch Gardiners damaliger Vorstellung entsprach. Nun, mit deutlich mehr Vorbereitungszeit als während der BCP und dank der Tatsache, dass Esther Brazil nach ihrer Zeit als „Apprentice“ seit ca.5 Jahren zum harten Kern des Monteverdi Choirs gehört und Gardiner also bestens bekannt ist, wird er mit ihr die Interpretation und beabsichtigte Aufführungsweise bis ins kleinste Detail erarbeitet und geprobt haben. Seine deutlich sichtbare Begeisterung nach dem Stück sprach da Bände. Und das Publikum war zu diesem Zeitpunkt auch schon hin und weg, wenn man den Applaus als Maßstab nimmt.
Zum Dixit Dominus stehe ich wie etwas differenzierter. Hier unterstelle ich mal, dass Gardiner den Monteverdi Choir zu seinem 50 jährigen Geburtstag mal richtig in allen Facetten zeigen und als Hochleistungschor präsentieren (platter ausgedrückt: angeben) wollte. Die Tempi waren rasend, die Einsätze krachend präzise und machtvoll, die Arien routiniert auf höchstem Niveau. Nicht umsonst spricht er in letzter Zeit oft von „musikalischen Athleten“, wenn er vom Monteverdi Choir spricht. Ich kann mir gut vorstellen, dass er hier zumindest im Hinterkopf auch den Gedanken hatte, eine Art Geburtstagsshow zu bieten, die einfach mitreißen sollte. Wer will es ihm bei diesem Chor und der erfolgreichen Geschichte verdenken. Überrascht hat mich dann noch das Kölner Publikum, das ich sonst als eher dröge kenne. Als das „Amen“ am Ende des „Dixit Dominus“ gerade ausgeklungen war, dauerte es keine zehn Sekunden, bis sich das knapp 2000 köpfige Publikum bereits zu Standing Ovations erhoben hatte und einen Applaus spendete, den man dort selten hört. Der Eingangschor des „Dixit Dominus“ beschloss den Abend dann als Zugabe. Währenddessen machte Gardiner allerlei Faxen und verulkte die Sänger, die teils breit lachen mussten, während sie das nicht einfache Stück sangen. Das Betriebsklima dieser Ensembles und ihres Chefs schien überhaupt am ganzen Abend brillant zu sein.
Nach dem Konzert hatte ich noch die Gelegenheit, mit Gardiner und einigen Beteiligten ein paar Worte zu wechseln. Ich habe ihn selten so freudestrahlend und gelöst erlebt. Er, wie auch einige der Ensemblemitglieder waren spürbar angetan von diesem „sehr besonderen Abend“ und ließen sich das hinter der Kölner Bühne traditionell gereichte Kölsch schmecken.
Am Abend danach konnte ich das „Dixit Dominus“ (neben Telemanns „Der Tag des Gerichts“) noch einmal hören und zwar mit der Rheinischen Kantorei und dem Kleinen Konzert unter Hermann Max im Rahmen des Knechtstedener Alte Musikfestivals. Obwohl ja auch Max und seine Ensembles zu den renommierten Barockspezialisten gehören, war ich hier deutlich weniger angetan, als am Vorabend, was an dem meiner Meinung nach anderen Extrem lag. Der Chor wirkte hier in den entscheidenden Passagen sehr harmlos, was angesichts des Texts ja nicht unbedingt angemessen scheint. Das Konzert wurde vom Deutschlandradio mitgeschnitten und wird sicher bald gesendet. Dann kann sich jeder noch sein eigenes Urteil bilden. Vielleicht war ich auch nur vom Vorabend zu stark beeinflusst.
Einen schönen Abend zusammen, viele Grüße,
Martin
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Lieber Martin,
herzlichen Dank für deine ausführlich Rezension vom Gardiner-Konzert in der Philharmonie in Köln. Wunderbar, dass Du Gardiner wieder einmal mit einem Konzertbesuch dich beglücken lässt. Die drei Aufnahmen von Gardiner sind auf meinem PC gespeichert und bin ganz angetan von den SDG-Veröffentlchungen. Für 5 Pfund ist es schon großartig, Teilhaber von diesen Konzerten zu sein.
Dir schreibe ich persönlich noch ein PN, da ich Änderungen vollzogen habe die intern besprochen werden sollten.
Ich wünsche dir und allen ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße
Volker
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