
Adventstimmung an der Frauenkirche Dresden
Liebe Bach-Freunde/innen !
Eine Übersicht der Bach-Kantaten zum aktuellen Sonntag im Kirchenjahr steht zum Download bereit:
Link: Bach-Kantaten im Kirchenjahr – als PDF-Download
Weiterhin stelle ich für jeden Sonntag / Feiertag im Kirchenjahr für die Besucher von
„Volkers Klassikseiten J.S. Bach“
eine Hör- oder Sehprobe, Radio-Programme mit Bach-Kantaten und eine „Bach-Kantaten-Beschreibung“ für den entsprechenden Sonntag-Feiertag im Kirchenjahr zur Verfügung.
Am 9.12.2012 begehen wir den 2. Advent
Die Adventszeit als Vorbereitungszeit auf das Christfest ist erst im 4. Jahrhundert entstanden, wobei es zunächst erhebliche Unterschiede in der Dauer (von einer Woche bis zu 40 Tagen) gab. Vier Sonntage im Advent gibt es für die römische Kirche, deren Praxis die Reformation übernommen hat, seit etwa 600, der 1. Sonntag im Advent wird aber erst seit Mitte des 8. Jahrhunderts als Beginn des Kirchenjahres besonders gefeiert. Von Anfang an hatte die Adventszeit den Charakter der Bußzeit als Vorbereitung auf das Christfest, den „Geburtstag“ Jesu Christi.
Im Advent sehen wir nicht nur zurück auf die Ankunft des Herrn, wie sie uns in der Bibel als „Weihnachtsgeschichte“ überliefert ist, sondern auch voraus auf die zukünftige Ankunft des Herrn als Herrscher dieser Welt und Begründer des Neuen Jerusalem. In der Spannung zwischen beiden erfahren wir im Advent den Herrn als den, der auf uns zukommt, sich uns immer wieder neu zuwendet und uns zur Buße zur Umkehr zu ihm hin einlädt.
Das Thema des 2. Sonntags im Advent wendet sich jetzt dem erlösenden Aspekt Gottes zu, nachdem am 1. Sonntag im Advent die Macht des Herrschers im Vordergrund stand. Der Erlöser wirkt auf vielerlei Weise – wiederum durch Macht, oder durch den Opfertod am Kreuz. Das Kommen wird aber auch als Erlösung von den Leiden dieser Welt angesehen, d.h. der Herr, wenn er kommt, wird endlich ein Ende machen mit der hiesigen Trübsal (Epistel).
Ab diesem Sonntag entfällt das „Gloria in excelsis“.
Am 2. Advent denken wir besonders an den Tag, an dem Gott diese Welt erlösen wird. Noch stehen wir in dieser Welt der Not und der Schuld, noch warten wir auf den Erlöser, der schon naht. In aller Trübsal unseres Lebens hören wir die Verheißungen, die uns mit Hoffnung erfüllen und deren Einlösung wir geduldig erwarten.
Wochenspruch:
Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. (Lk 21, 28b)
Wochenlied:
“O Heiland, reiß die Himmel auf“ (EG 7)
YouTube – Musikvideo zum Wochenlied
(Textauszüge: © Martin Senftlebe
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Bach-Kantaten für den 2 bis 4. Advent
BWV 70 – „Wachet! betet! betet! wachet“
BWV 132 – „Bereitet die Wege, bereitet die Bahn„
BWV 147 – „Herz und Mund und Tat und Leben„
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R a d i o – Programme mit Bach-Kantaten:
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WDR3 – Geistliche Musik
Sendung: 09:05 bis 10:00 Uhr.
WDR3 – Livestream-Link:
http://www.wdr.de/wdrlive/wdrplayer/wdr3player.html .
Allgemein-Link:
http://www.wdr.de/radio/wdr3/ .
Programm: Link:
http://www.wdr.de/programmvorschau/programDateDateSender.jsp?programmeId=3;dayOffset=0
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WDR3 – Auszüge aus dem Programm:.
Geistliche Musik – Sonntag: 09:05 bis 10:00 Uhr
BWV 62 “Nun komm, der Heiden Heiland II“
Kantate für Soli, Chor, Bläser, Streicher und Basso continuo;
Sibylla Rubens, Sopran
Sarah Connolly, Alt
Christoph Prégardien, Tenor
Peter Kooy, Bass
Chor und Orchester des Collegium Vocale Gent
Leitung: Philippe Herreweghe
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NDRkultur
Sonntag: 08:03 – 08:40 Uhr
Livestream –Link:
http://www.ndr.de/ndrkultur/programm/livestream243.html
Programm-Link: http://www.ndr.de/ndrkultur/programm/programmuebersichten/index.html
Archiv zum Nachhören:
http://www.ndr.de/ndrkultur/programm/zum_nachhoeren/ndr2234.html
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NDRkultur – Kantate
Sendung Sonntag: 08:03 – 08:40 Uhr
Johann Sebastian Bach:
Kantate BWV 36 „Schwingt freudig euch empor,“
Sibylla Rubens, Sopran / Christoph Prégardien, Tenor
Peter Kooy, Bass
Chor und Orchester des Collegium Vocale Gent
Leitung: Philippe Herreweghe
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SR2-Radio Saarbrücken (Klassik-Radio)
Programm:
http://www.sr-online.de/sronline/sr2/programmvorschau/index.html
Webradio:
http://www.sr-online.de/sr2/351/5305.html
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SR2-Radio Saarbrücken (Klassik-Radio)
Auszüge aus dem Programm:.
Sonntag 08:04 – 09:00 Uhr
Bach-Kantate
BWV 140 “Wachet auf, ruft uns die Stimmer”
Kantate am 27. Sonntag nach Trinitatis, BWV 140
Ruth Holton, Sopran
Anthony Rolfe Johnson, Tenor
Stephen Varcoe, Bass
Monteverdi Choir
Englische Barocksolisten
Leitung: John Eliot Gardiner
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SWR2 (Kulturradio)
Sendung: 08:03 bis 08:30 Uhr
Programm:
http://www.swr.de/swr2/programm/-/id=661104/1rcmvqp/index.html .
Webradio:
http://www.swr.de/swr2/-/id=7576/nid=7576/did=1586900/pv=mplayer/10idhq8/index.html..
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SWR2 – Auszüge aus dem Programm:
Geistliche Musik am Sonntag um 08:11 bis 08:30 Uhr
SWR2 – Kantate
Gottfried August Homilius (1714 – 1785)
„Verwunderung, Mitleid, Furcht und Schrecken“
Barbara Schlick (Sopran)
Hein Meens (Tenor)
Stephen Varcoe (Bass)
Dormagener Jugendkantorei
Das kleine Konzert
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rbb kulturradio
Sendung Sonntag: 09:30 bis 10:00 Uhr
Programm:
http://www.kulturradio.de/programm/index.html .
Livestream
http://www.kulturradio.de/livestream/index.html .
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rbb-kulturradio – Auszüge aus dem Programm:
Sendung Sonntag von 09:30 bis 10:00 Uhr
Johann Sebastian Bach
BWV 36 “Schwingt freudig euch empor“
Arleen Augér, Sopran / Gabriele Schreckenbach, Alt /
Peter Schreier, Tenor / Walter Heldwein, Tenor
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mdr – figaro
Sendung Sonntag: 06:30 bis 07:00 Uhr
Kantate
Programm:
http://www.mdr.de/mdr-figaro/programm/. .
mdr-figaro Live:
http://www.mdr.de/mdr-figaro/index.html .
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mdr – figaro Auszüge aus dem Programm:
Sendung Sonntag: um 06:30 bis 07:00 Uhr
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Johann Sebastian Bach
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847)
Lasset uns frohlocken“, Motette op. 79 Nr. 1
Leitung: Georg Christoph Biller
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BWV 70 “Wachet, betet, seid bereit allezeit“
Arleen Augér, Sopran; Verena Gohl, Alt;
Lutz-Michael Harder, Tenor; Siegmund Nimsgern, Bass;
Gächinger Kantorei Stuttgart
Bach-Collegium Stuttgart
Leitung: Helmuth Rilling
Videos mit Bach-Kantaten für den 2. – 4. Advent
BWV 70 – „Wachet! betet! betet! wachet“
BWV 132 – „Bereitet die Wege, bereitet die Bahn„
BWV 147 – „Herz und Mund und Tat und Leben„
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/ YouTube: BWV 70 –
„SWachet! betet! betet! wachet„ – (Interpret: Rilling)
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/ YouTube: BWV 132 –
„Bereitet die Wege, bereitet die Bahn“ (Interpret: Leonhardt)
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/ YouTube: BWV 147 –
„Herz und Mund und Tat und Leben„ – (Interpret: Harnoncourt -Tölzer Knabenchor)
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In loser Reihenfolge stelle ich bemerkenswerte Werke
von J.S. Bach sowie aus der Bach-Familie – u.a. Barock-Komponisten vor..!!
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Gottfried August Homilius (1714 – 1785) – Deutscher Barock-Komponist, Dresden

Gottfried August Homilus (1714-1785)
Gottfried August Homilius * 2. Februar 1714 in Rosenthal; † 2. Juni 1785 in Dresden – war ein deutscher Komponist, Kantor und Organist.
Nach dem Besuch der Annenschule in Dresden studierte Homilius Jura in Leipzig. Schon dort war er musikalisch aktiv und vertrat zeitweise den Organisten der Nikolaikirche Johann Schneider.
Er zählte vermutlich zum direkten Schülerkreis von Johann Sebastian Bach.
Ab 1742 war Homilius Organist an der Dresdner Frauenkirche und ab 1755 in der Nachfolge von Theodor Christian Reinhold bis zu seinem Tod Kreuzkantor und Musikdirektor an den drei Hauptkirchen Dresdens; Hauptwirkungsort Homilius‘ war die Dresdner Frauenkirche, nachdem die Kreuzkirche 1760 durch preußische Truppen zerstört und ihr Neubau erst 1792 geweiht wurde. Homilius starb 1785 in Dresden und wurde auf dem ersten Johannisfriedhof beigesetzt. Sein Grab ist nicht erhalten.
Homilius hat überwiegend Kirchenmusik komponiert: mehr als 10 Passionen (eine 1775 bei Breitkopf & Härtel in Leipzig gedruckt mit dem Titel „Ein Lämlein geht und trägt die Schuld“), je ein Oratorium zu Weihnachten (1777) und zu Ostern, über 60 Motetten, 180 Kantaten, 4 Magnifikat, Choräle, Präludien und Choralvorspiele. Außerdem sind von ihm etliche „Gesänge für Maurer“ und eine Generalbass-Schule überliefert. Im Jahr 1776 wurde Homilius als der „wohl jetzt ausgemacht beste Kirchenkomponist“ bezeichnet. Nach seinem Tod kam Ernst Ludwig Gerber sogar zu der Ansicht, dass Homilius „ohne Widerrede unser größter Kirchencomponist“ sei.
Die Vokal-Kompositionen von Homilius erfreuten sich bis in das 19. Jahrhundert hinein größter Beliebtheit. Eine große Zahl bis heute erhaltener Abschriften zeugt von der Verbreitung seiner Werke. Im Zuge der Homilius-Renaissance der letzten Jahre wurden viele der wiederentdeckten Werke des vermutlichen Bach-Schülers und Kreuzkantors in Ersteinspielungen auf CD veröffentlicht.
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Gottfried August Homilius – Weihnachtsoratorium:
„Der Himmel steht uns wieder offen“
Das Weihnachtsoratorium ist nach der Passionskantate „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“ von 1775 das zweite große Vokalwerk von Gottfried August Homilius, das zu seinen Lebzeiten im Druck vorgelegt wurde. Mit einem ungewöhnlich großen Instrumentalapparat vertont Homilius den das in jener Zeit so beliebte Hirtensujet aufgreifenden Text auf sehr differenzierte Weise. Jeder Satz ist ein von allen anderen deutlich unterschiedenes Stimmungsgemälde. Dazu zählen unterschiedliche Hirtenmusiken ebenso wie der als Repräsentant des mächtigen Gottes mit Trompeten und Pauken auftretende Engel.
Besetzung:
Soli SATB, Coro SATB, 2 Fl, 2 Ob, 2 Fg, 3 Cor, 3 Tr, Timp, 2 Vl, Va, Vc/Cb
(Dauer 45 Min.)
Die CD – G.A. Homilius – Weihnachtsoratorium >> h i e r – klicken <<
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Sehr gute Hörproben gibt es auf Amazon – >> h i e r – klicken..!! <<
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Auf YouTube gibt es den Eingangs-Satz & Satz 9 vom Weihnachtsoratorium zu hören:
(Die Ton-Qualität ist leider nicht überragend..!!)
Satz 1. Gott, dich rühmen unsre Lieder
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Satz 9. Wie wallt mein Herz!
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Sir John Eliot Gardiner – Kantaten-Beschreibung
zum BWV 70 – „Wachet! betet! betet! wachet!„
Kantaten für den 2. – 4. Advent
Aufführungsort: Michaeliskirche, Lüneburg am 10.12.2000
Auf der letzten Etappe unserer einjährigen Pilgerreise durch Europa sahen wir uns mit der Herausforderung konfrontiert, drei der faszinierendsten Kirchenkantaten Bachs aufzuführen, die einander am Anfang und Ende des Kirchenjahres begegnen. Alle drei gehen auf Adventskantaten zurück, die Bach nach seiner Beförderung zum Konzertmeister 1715 in Weimar komponierte, und alle drei haben Libretti des Hofpoeten, Bibliothekars und Numismatikers Salomo Franck. Die Zeit zwischen dem ersten Advent und Weihnachten war dort nicht, wie in Leipzig, ein tempus clausum, eine ‚geschlossene Zeit’, in der keine Figuralmusik aufgeführt werden durfte. Im Gegenteil, die Vorfreude auf Weihnachten kommt in allen drei Kantaten deutlich zum Ausdruck, nicht nur in BWV 132 und 147, die ursprünglich in Weimar in zwei Jahren nacheinander (1715 und 1716) am Vierten Advent zu hören waren, sondern auch in BWV 70, das anfangs für den Zweiten Advent 1716 bestimmt war und, in der Vorweihnachtszeit nicht weiter überraschend, Jesu Wiederkehr als Richter der Welt zum Thema hat.
Alle drei Werke lassen erkennen, welch eine erstaunlich schöpferische und entwicklungsträchtige Zeit es für Bach war, der jetzt, was seine Kantatenkompositionen betraf, dreißig geworden war, ein reiches Reservoir stilistischer – italienischer, französischer und heimisch- deutscher – Einflüsse bewältigte, diese seinen Zwecken anpasste und, aus Ehrfurcht vor seinen Wurzeln und seiner musikalischen Vergangenheit, sich weigerte, sich auf den neuen ‚Neumeister-Typ’ der Kantate mit ihrer charakteristischen Abfolge von Rezitativ und Arie zu beschränken. Die Musik ist in der musikalischen Auslegung der Franck’schen Texte voller blitzender Gedanken, Überschwang und Dramatik und, im Gegensatz zu dem, was einige Gelehrte behaupten mögen, unverkennbar original und von den Kantaten aller seiner Zeitgenossen deutlich unterschieden. Man möchte vor Bedauern laut aufschreien, wenn man bedenkt, dass viele (keiner weiß genau, wie viele) der übrigen Kantaten Bachs aus diesen Jahren (1713–17) verloren sind, vielleicht verbrannt oder von seinem Dienstherrn Herzog Wilhelm Ernst beschlagnahmt, dessen Unmut er sich zugezogen hatte, so dass wir zum einen nun nicht mehr die Möglichkeit haben, sein vokales Schaffen im Vergleich zu den zahlreichen einzigartigen Meisterwerken für Klavierinstrumente (darunter das Orgelbüchlein) zu würdigen, und uns zum anderen ein entsprechend gewichtiges und umfangreiches Korpus an Kantaten fehlt, das mit den großen, Mitte der 1720er Jahre in Leipzig entstandenen Zyklen zu vergleichen wäre.
Unser Programm in Lüneburg begann mit
BWV 70 Wachet! betet! betet! wachet!
in der musikalischen Form, in der diese Kantate erhalten ist – der Erweiterung, die Bach auf der Basis der kürzeren, sieben Jahre vorher in Weimar komponierten sechssätzigen Adventskantate (BWV 70a), von der nur noch drei hohe Streicherstimmen vorhanden sind, für die Aufführung am 21. November 1723 in Leipzig vornahm. Francks Libretto wurde von dieser Bearbeitung nicht beeinträchtigt, da das an beiden Sonntagen behandelte Thema (Christi Kommen und das Jüngste Gericht) an diesem zentralen Punkt des Jahres, wo sich das ‚alte’ Jahr auf die Zeit Israels und das ‚neue’ Jahr auf die Zeit des Lebens Christi auf Erden bezieht, gewissermaßen identisch ist.
Franck fordert dazu auf, aus der Zeit ‚Ägyptens’ (der Gefangenschaft des Volkes Israel) in ein ‚himmlisch Eden’ zu ziehen – aus der ‚Not und Qual’ des irdischen Jammertals in himmlische ‚Freud und Herrlichkeit’, ein Weg, den Bach in einer aufwärts gerichteten Modulation in Terzschritten (a – C – e – G) widerspiegelt. Darüber hinaus betonten Franck und Bach das Nebeneinander von menschlicher, nicht rückgängig zu machender Zeit und Gottes ewiger, unveränderlicher Zeit. Durch den hinzugefügten zweiten Choral und die zusätzlichen vier Rezitative (zwei secco, zwei accompagnato), die das Evangelium paraphrasieren (Matthäus 25, 31– 46), wird aus der ursprünglichen Kantate nun ein zweiteiliges Werk, das sich mit dem Gegensatz zwischen Zerstörung und Wiederherstellung befasst. Bach versucht das Unmögliche: die Linearität zu überwinden, in der sich die musikalische (und damit menschliche) Zeit entfaltet, indem er Möglichkeiten vorschlägt, durch die sie Gottes ewiger Zeit untergeordnet und demnach in sie einbezogen wird. Hier und da lässt er durchblicken, genau wie in seinem Actus tragicus und in der Matthäuspassion, dass er letztere bevorzuge, nicht nur indem er in der Sopran-Arie (Nr. 5) auf holzschnittartig-bildhafte Weise Schlüsselwörtern wie ‚bestehen’ (im wörtlichen wie metaphorischen Sinn) besonderen Nachdruck verleiht, sondern indem er die grenzenlosen – in der Tat zeitlosen – Möglichkeiten ausschöpft, die in einer Folge musikalischer Gedanken enthalten sind.
Das Ergebnis ist eine einzigartige Fusion wunderbarer Musik aus zwei seiner fruchtbarsten Perioden der Kantatenkomposition, jener grundlegenden Durchbrüche, zu denen er in den Jahren 1716 und 1723 gelangte. Man könnte vorgeben, man bemerke die stilistischen Nahtstellen zwischen den beiden Versionen und Stilen, doch das wäre unredlich. Was in Wahrheit hier so beeindruckt, das ist, auf welch überzeugende und dramatische Weise das erste Accompagnato (Nr. 2, Leipzig) aus dem Eingangschor (Weimar) hervorbricht und wie nahtlos die gleichermaßen dramatische Ankündigung des Jüngsten Gerichts (Nr. 9, Leipzig) mit der beschwichtigenden Arie (Nr. 10, Weimar) verknüpft wird. Joshua Rifkin meint, der Trompetenpart sei dem ersten Chor und der letzten Arie erst für die Wiederaufführung in Leipzig hinzugefügt worden und die Oboe bringe dem musikalischen Gefüge des ersten Aktes nichts wesentlich Neues, und er kommt gar zu dem Schluss, es klinge besser nur mit Streichern und der Dialog zwischen Trompete und Singstimme im zehnten Satz (Takte 36–37) sei lediglich ein glücklicher Zufall gewesen.
Nun ja… Selbst angesichts der Schwierigkeiten, mit denen die Bläser (deren Instrumente vermutlich auf den französischen Kammerton A = 392 Hz gestimmt waren) zu kämpfen haben mochten, um sich dem Weimarer Chorton anzupassen, spielen sowohl Trompete als auch Oboe im Anfangssatz und in Bachs experimentellem Wechsel zwischen nur dem Orchester, dann dem Chor mit begleitendem Orchester und schließlich mit den Stimmen, die nur in die Wiederholung der orchestralen Sinfonia einbezogen werden, eine entscheidende Rolle, in der sie wie Turnierkämpfer agieren. Dank dieser Technik (Choreinbau) gelingt es Bach, vor unseren Augen den furchterregenden Augenblick (aus der Petrus-Epistel für den Tag) erstehen zu lassen, ‚an welchem die Himmel zergehen werden mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen’. Das geschieht, bevor jene, die numerologischen Kriterien einen hohen Wert beimessen, die Wiederkehr der auf- und absteigenden Arpeggio-Figur in der Trompetenlinie – eine Art reveille, der die Rufe ‚Wachet!’ vorantreibt – abzählen und auf vierzehn kommen, die symbolische Zahl, die für Alpha und Omega steht, eine Metapher (aus dem Buch der Offenbarung) für Jesus als Anfang und Ende des Lebens.
An dem folgenden Accompagnato (Nr. 2) für Bass, Streicher, Oboe und Trompete und seinem Zwilling (Nr. 9) beeindruckt mich am meisten, dass sie so opernhaft wirken. Beginnend mit wiederholten Sechzehnteln, die sie in Monteverdis stilo concitato (wörtlich ‚erregter’ Stil) heraushämmern, nehmen sie um viele Jahre die wunderbar opernhaften Ausbrüche zweier der vorzüglichsten Heroinen Händels vorweg: Dejanira, die in Raserei geratende Ehefrau in Hercules (1745) (‚Where shall I fly?’), und Storge, die entrüstete Mutter in Jephtha (1752) (‚First perish thou!’). Aber es sind nicht nur die vollmundigen Anfänge, die diese wunderbaren scene mit Bachs Kantate verbinden – Bach kann sich hier in seiner mächtigen vokalen Deklamation, in den feinen Abstufungen der Stimmung und der nachdrücklich stützenden Orchesterbegleitung, die er erfindet, um die verheerende Zerstörung der Welt und schließlich den engelhaften Übergang (vom Rezitativ zur Bass-Arie, Nr. 10) zu schildern, wenn Jesus den Gläubigen ‚zur Stille, an den Ort, das Lust die Fülle’ führt, mit Händel durchaus messen. Selbst jene Leipziger Gemeindemitglieder, die sich gegen Opernmusik in der Kirche am meisten wehrten, müssen bewegt gewesen sein, wenn die Melodie des Adventschorals – ‚Es ist gewisslich an der Zeit’, eine Weise, die während des Dreißigjährigen Krieges ein Talisman, eine Art Dies irae wurde – von der einsamen Trompete über dem Chaos des Jüngsten Gerichts angestimmt wird.
© John Eliot Gardiner 2009
Aus einem während der Bach Cantata Pilgrimage geschriebenen Tagebuch
Übersetzung: Gudrun Meier
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Sir Gardiners Kantaten-Beschreibungen für Advent:
Link: h i e r zum Download als PDF Gardiner
Künstler-Beitrag –
Link: Künstler-Meinungen; Hildburg Williams Violine
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CD – Cover SDG 162 Vol. 13
Link: CD zwei – Inhalt
BWV 70 „Wachet! betet! betet“ wachet!“
BWV 132 „Bereitet die Weg, bereitet die Bahn!“
BWV 147 „Herz und Mund und Tat und Leben“
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Bachfest Leipzig 2013 – “Vita Christi”
S i t z p l ä n e der Leipziger Kirchen als PDF:
Kartenvorbestellungen:
über Ticket-Online
oder
für die Konzerte innerhalb des Bachfestes über das Bach-Archiv Leipzig:
Bach-Archiv Leipzig
Stiftung bürgerlichen Rechts
Thomaskirchhof 16
04109 Leipzig
Foto: Rudolf Lutz Dirigent
J.S. Bach Cantata BWV 132 “Bereitet die Wege, bereitet die Bahn”
Die DVD enthält die Filmaufnahmen der kompletten Kantate, den Einführungsworkshop sowie die Reflexion des Referenten. Zudem beinhaltet die DVD das Filmportrait der J. S. Bach-Stiftung.
„Bereitet die Wege, bereitet die Bahn!“
Kantate BWV 132 zum 4. Advent für Sopran, Alt, Tenor, Bass, Oboe, Fagott, Streicher und Continuo.
Solisten
Eva Oltiványi, Sopran; Markus Forster, Altus; Julius Pfeifer, Tenor; Wolf Matthias Friedrich, Bass
Als Solisten auf dem Video wirken mit:
Wolf Matthias Friedrich (Bass)
Weitere Informationen zur Bachstiftung
unter www.bachstiftung.ch
Die DVD mit der gesamten Kantate ist erhältlich im Shop
Link: http://www.bachstiftung.ch/de/shop/items/j-s-bach-kantate-bwv-132/
Abendprogramm BWV 132 (436.7 KB)
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Video – YouTube BWV 132 –
Dritter Satz (aria, basso) aus der Kantate BWV 132 „Bereitet die Wege, bereitet die Bahn!“, aufgeführt durch die J. S. Bach-Stiftung St. Gallen. Als Solist wirkt mit Wolf Matthias Friedrich (Bass).
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Ich wünsche allen Besuchern eine schönen 2. Advent-Sonntag.
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Herzliche Grüße
Volker
Am Freitag, 7.12.2012 war auf NDRkultur das Weihnachtsoratorium zu hören. Wer es versäumt hat bekommt die Möglichkeit zum Nachhören. Die Link-Angaben zum NDR geben ich nachstehend an.
1. Link für das WO Teil eins und vier:
http://www.ndr.de/ndrkultur/programm/audio140153.html
2. Link für das WO Teil fünf und sechs
http://www.ndr.de/ndrkultur/programm/audio140155.html
Angaben zu der Sendung von NDRkultur:
Weihnachtsoratorium
von Johann Sebastian Bach
für Soli, Chor und Orchester BWV 248,
Teile 1 und 4 – 6
Tilman Lichdi, Evangelist
Balthasar-Neumann-Chor mit Solisten
Balthasar-Neumann-Ensemble
Ltg.: Thomas Hengelbrock
Live in Dolby Digital aus der Laeiszhalle Hamburg
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Ich wünsche allen ein schönes Advents-Wochenende
und herzliche Grüße Volker
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Für alle Gardiner-Getreuen möchte ich den Hinweis von @Barbara weitergeben. Auf WDR3 gab gestern Sir Gardiner sein Interview…
WDR 3 Samstagsgespräch: Dirigent John Eliot Gardiner – 08.12.2012 :
Revolutionär und Romantiker
Er hat die Alte-Musik-Bewegung maßgeblich mit vorangetrieben und nie die Scheu besessen, seine Kenntnisse modernen Sinfonieorchestern zu vermitteln. John Eliot Gardiner ist seit Jahrzehnten einer der eher stillen, aber umso wirkungsmächtigen Dirigenten von Weltrang.
Dieses Interview kann weiterhin nachgehört werden und gebe einmal den Link des WDR an:
Link: http://www.wdr3.de/musik/gardiner100.html
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Grüße Volker
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(Zuvor Anmerkung: Erbitte in diesen ‚Gedanken zu den Sonntagskantaten‘ WIRKLICH nur Äußerungen ZU den Kantaten !!!)
Liebe BachfreunbdINNEN!
Das waren für den 2.Advent wunderbare drei Kantaten.
In der Rückschau möchte ich mal versuchen, ohne auf Einzelheiten einzugehen, nur mal auf die Eingangschöre zu schauen. Sie beschreiben m.Mg. in drei ganz verschiedenen Stimmungen die Ewartungshaltungen, die uns im Advent begegnen:
BWV 70 Uns aufrüttelnd mit jugendfrischem Efindungsreichtum der Weimarer Zeit Bachs.
BWV 132 Uns beruhigend mit intimer, kammermusikalischer Besetzung.
BWV 147 Uns bewegende schöne Musik schenkend. Ausgewogene Symmetrie.
Da es ja jetzt langsam spannend wird und mit dem ersten Schnee
– (wie ich gerade auf dem Bildschirm sehe, rieseln auch auf Volker’s Begrüßungsseite bereits die Flocken, oder täusche ich mich?) –
die Weihnachtszeit auch atmosphärisch zu spüren ist, reichen eigentlich die ‚übergeordneten Stimmungen‘, um uns die Kantate zu erschließen.
Gruß
Adamo
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Lieber Volker,
ganz schnell nur meinen Dank für den Video-Tipp mit Wolf Matthias Friedrich. Da ich nicht ganz so wendig im Internet bin, nehme ich gerne solche Empfehlungen an. Um ein 3-Minuten Video zu laden, dauert es mindestens eine halbe Stunde bei mir. Also wird wohl die DVD auf meiner Wunschliste landen…
Herzliche Grüße
von Luise
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